Die Legende von der Schwarzen Dame

Die Legende von der Schwarzen Dame

In dunklen Nächten, besonders im Winter, knarrt die geschnitzte Treppe des Palastes Będlewo manchmal düster.
Eine Frauengestalt mit einem großen schwarzen Hut gleitet die Treppen und Gänge hinunter. Kaum erkennt man die Schönheit der hübschen Felicia wieder.
Stille und Dunkelheit ziehen mit ihr durch den schlafenden Palast.

  • Vor über 100 Jahren war Felicja Potocka eine der besten Kandidatinnen für eine Ehefrau in ganz Großpolen. Sie war die geliebte Tochter von Bolesław Potocki, dem wohlhabenden Besitzer von Będlewo, der mit großem Erfolg sein rasch wachsendes Anwesens verwaltete. Felicjas Zeitgenossen erinnerten sich an ihren offenen Geist und ihre Fürsorge für die Dorfkinder. Darüber hinaus war sie für ihre große Schönheit bekannt, was durch erhaltene Bilder der schönen Brünetten bestätigt wird.
    Bolesławs wirtschaftlicher Erfolg zog Graf Maciej Mielżyński an, den Erben einer der besten Familien in Großpolen. Mielżyński - ein Aristokrat, Jurastudent und vielversprechender Maler - begann seine Lehre in Będlewo, um die Bewirtschaftung des Hofes und die moderne Landwirtschaft zu erlernen. Er kam, um von dem Vater zu lernen, aber als er dessen schöne Tochter kennenlernte, verlor er völlig den Kopf für sie. Er wollte sofort heiraten - aber seine Erklärungen wurden agbelehnt. Der Graf konnte dies nicht akzeptieren und beschloss im Überschwang der Gefühle, sich das Leben zu nehmen. Er ergriff sein eigenes Gewehr und schoss auf sich selbst.
    Der Schuss verwundete Mielżyński, aber nicht tödlich. Angesichts dieser dramatischen Reaktion willigte die schöne Felicja ein, den verzweifelt in sie Verliebten zu heiraten, und auch ihr Vater gab sein Einverständnis. Die Wunde des Grafen war bald verheilt und Felicja wurde zur Gräfin Mielżyńska.

  • Die Ehe, die unter Androhung von Selbstmord geschlossen wurde, war jedoch nicht glücklich. Das romantische Hochgefühl verblasste bald, und auch die Geburt der drei Kinder konnte es nicht aufrechterhalten - Mielżyński verlor das Interesse an seiner schönen Frau, und das Paar führte ein getrenntes Leben. Der Graf hatte wenig Zeit für seine Familie - er war viel mehr mit seiner sich rasch entwickelnden politischen Karriere beschäftigt, denn er wurde polnischer Abgeordneter im Reichstag des kaiserlichen Deutschlands. Felicia kümmerte sich um die Kinder und verbrachte lange Wochen allein. Nur die Reise brachten eine Abwechslung in ihren einsamen Alltag. Zehn Jahre nach ihrer Heirat war die Ehe nur noch eine aristokratische Scheinehe, und die Versuche, sie zu retten, scheiterten.
    Die schöne, reiche und einsame Gräfin hatte einige Verehrer. Wir wissen nicht, ob einer von ihnen ihr Herz gewann - aber der ungestüme Graf Mielżyński hatte keine Zweifel. Einer Dezembernacht stürmte er mit einer Schrotflinte in das Schlafzimmer seiner Frau in ihrem Schloss in Dakovy und erschoss Felicia und ihren Neffen, Graf Alojzy Miączyński, auf der Stelle. Der junge Graf war in Großpolen für seinen ausschweifenden Lebensstil und seine zahlreichen Schulden bekannt. Heute ist es unklar, ob Miączyński jener Nacht die schöne Gräfin um einen Gefallen oder seine reiche Tante um ein weiteres Darlehen bitten wollte. Auf jeden Fall war er zur falschen Zeit am falschen Ort.

  • Der Doppelmord in einer aristokratischen Ehe schlug im ganzen Land und in Europa Wellen. Graf Mielżyński stellte sich selbst vor Gericht - und das Gericht sprach den etablierten Aristokraten in einem Geheimprozess frei, da er aus Gründen der Ehre gehandelt habe. Die Öffentlichkeit war jedoch nicht so nachsichtig, und der Graf wurde gesellschaftlich boykottiert. Schnell verkaufte er das Gut, überließ seine Kinder seiner Familie, verließ Großpolen und brach alle Kontakte ab. Bald darauf brach der Erste Weltkrieg aus, und es begann ein neues Kapitel in seinem Leben.
    Die eheliche Tragödie wurde aber nicht vergessen und belastete die Familie noch lange Zeit. Die Kinder von Felicia und Maciej haben sich nie mit ihrem Vater versöhnt. Der Graf stieg als Militäroffizier und Politiker auf, starb einsam im Exil. Und die schöne Felicia kehrt in Nächten, die so dunkel sind wie jene Dezembernacht, in den Palast ihrer Kindheit und Jugend zurück, wo sie das letzte Mal unbeschwert glücklich war.